Wie stark weht der Wind in Obergrub?
Bei der Planung eines neuen Windpark ist die Klärung der Windhöffigkeit eine der entscheidenden Fragen.
Man kann sehr viel Zeit und Geld in die Klärung investieren, aber gewisse Toleranzen lassen sich nicht
vermeiden. Kein Ingenieurbüro wird sich daher auf die Ergebnisprotokolle festnageln lassen.
Ungünstigerweise wirken sich bereits kleine Abweichungen bei der geschätzten Windgeschwindigkeit
überproportional im realen Energieertrag aus. Im Internet finden sie Übersichtskarten, aus denen
sich die Werte auslesen lassen. Beispiele dafür sind der bayerische Energieatlas [1] und der
Europäische Windatlas [2], die aber inhaltlich stark voneinander abweichen.
Bei der Erweiterung des Obergruber Windparks liegt es also nahe, die Erträge der letzten Jahre
genauer zu analysieren. Natürlich besitzt der Eigentümer des Windparks ausführliche Messprotokolle.
Doch es ist unwahrscheinlich, dass er diese einfach zur Verfügung stellt, denn sie sind
genaugenommen Betriebsgeheimnisse. Das die Steuerzahler, die indirekt solche Projekte subventionieren,
keinen Zugriff auf die Ertragsergebnisse erhalten, ist eigentlich nicht zu akzeptieren.
Für eine erste Schätzung hat man jedoch noch andere Möglichkeiten. So stehen z.B. im Energieatlas Bayern
die Ertragswerte aus dem Jahr 2018 [3] zur Verfügung. Weiterhin habe ich Daten aus dem Jahr 2013 [4] im
Internet gefunden. Nachdem die Anlagentypen [5] bekannt sind, kann man auf dieser Basis die Windgeschwindkeit abschätzen.
Ein wichtiger Indikator der Windhöffigkeit ist der Kennwert "Volllaststunden". Dieser bezeichnet die Stunden pro Jahr,
in denen eine Anlage bezogen auf die von ihr tatsächlich bereitgestellte Energiemenge rechnerisch mit Nennleistung betrieben würde.
In Obergrub waren dies im Jahr 2013 1736h und im Jahr 2018 2013h.
Die Effektivität der Anlage schwankt somit zwischen 19,8% und 23,0%.
Solche Schwankungen sind normal, wie man im Artikel "Volllaststunden" des Fraunhofer Institutes [6] nachlesen kann.
Der bayerische Durchschnittswert für das Jahr 2018 betrug 1807 "Volllaststunden" [7].
Die elektrische Leistung eines einzelnen Oberngruber Windrades beträgt 1500 kW.
Berücksichtigt man die Effektivität, wären das im Jahr 2013 nur 297 kW
und im Jahr 2018 345 kW im Jahresdurchschnitt. Nun muß man die Leistungskurve der Anlage [5] nehmen
und die Leistungswerte in der senkrechten Achse suchen. Daraus ergibt sich
dann für das Jahr 2013 eine mittlere Windgeschwindigkeit von ca. 5,7 m/s (blauer Pfeil).
Für das Jahr 2018 ergibt sich ein Wert von knapp über 6,0 m/s (roter Pfeil).
Zur Kontrolle kann man auch interaktive Anzeige des Diagramms nutzen.
Diese zeigt bei einer Windgeschwindigkeit von exakt 6,0 m/s einen Leistungswert von 331 kW an.
Dies alles gilt für eine Höhe von 109 Metern, denn die Nabenhöhe des Windrades
ist der Bezugspunkt.
Der letzte Schritt ist ein Vergleich mit dem bayerischen Energieatlas.
In der Kartenauswahl Windenergie/Potenzial/Windgeschwindigkeit findet man folgende Angaben zur mittleren Windgeschwindigkeit:
5,7 m/s in 100m Höhe, 6,1 m/s in 130m Höhe und 6,3 m/s in 160m Höhe.
Unter der Lasche Ertrag findet man die ergänzende Info "Der Ertragsindex bleibt in den Höhen zwischen 100 m - 160 m nahezu gleich."
Fazit:
Die mittlere Windgeschwindigkeit beträgt bei den Obergrubern Windrädern 5,7 - 6,0 m/s auf Nabenhöhe.
Die Angaben des bayerischen Energieatlas scheinen realistischer als die des Europäischen Windatlases zu sein.